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„Das innere Spiel gewinnen“

Andreas Kuffner, Olympiasieger im Ruder-Achter weiß, wie man trotz Druck und Stress ausgeglichen und souverän bleibt. Im Interview gibt er einen Einblick in seine Strategien - das innere Spiel gewinnen, nennt er es.

Andreas Kuffner, als Goldmedaillengewinner im Deutschland-Achter haben Sie selbst erlebt, wie es sich anfühlt, unter Druck zu Höchstleistungen aufzublühen – Wie gelingt es Ihnen, gesund und leistungsfähig zu bleiben, wenn der Druck steigt? 

Das ist ein ständiges Ausbalancieren. Der Kern des Gelingens ist, in einer starken Beziehung mit sich selbst zu sein, in einen inneren Dialog zu treten. Bei Sportlern kann man manchmal gut beobachten, dass sie Selbstgespräche führen (lächelt). Das tun wir alle mehr oder weniger. Die Frage ist nur, wie bewusst führen wir diese Gespräche, wie sehr hören wir uns zu und wollen verstehen, was da los ist? Und wenn wir dies ganzheitlich hinbekommen, indem ich in mich rein fühle, mir bewusst mache, wie es mir geht, kann ich das Problem benennen, was da ist?  

Wenn dieser Dialog  in einer guten Qualität geschieht, dann finden wir einen guten Weg, damit umzugehen. Das nennen wir im Sport, das innere Spiel zu spielen. Das innere Spiel besteht aus vielen Gefühlen, Gedanken und Emotionen. 

Manchmal ist  mir das in der Vergangenheit gut gelungen, manchmal weniger gut. Und dann bin ich bestimmt auch mal über Grenzen gegangen, die mir nicht so gut getan haben. 

Gibt es eine Geschichte aus Ihrem Sportlerleben, die zeigt, wie wichtig es ist, in herausfordernden Momenten Haltung zu bewahren? 

Ein Negativbeispiel gibt es aus einer meiner Wintersaisons als aktiver Ruderer in der Nationalmannschaft. Ich wollte unbedingt mit dem Team aus dem Deutschland-Achter trainieren, um für die nächsten Wettkämpfe fit zu sein. Ich hatte aber Schmerzen im Oberkörper. Das habe ich ignoriert und nichts dem Trainer gesagt, weil ich nicht wollte, dass er mich aussortiert.  

Ich habe also einfach immer weiter trainiert und das hat sich hochgeschaukelt, bis sich das Konstrukt nicht mehr gehalten hat. 

 Ich musste zum Arzt und er hat einen Ermüdungsbruch der Rippe festgestellt.  

Das war letztendlich das Resultat davon, dass ich mir selbst nicht gut zugehört habe und meine Gefühle ignoriert habe. Am Ende gewinnt das System bzw. der Körper. Wenn wir Widerstände oder Signale bemerken, dann lohnt es sich immer, hinzuschauen und bewusste sinnvolle Konsequenzen daraus zu ziehen. 

Veränderungen sind einfach immer anstrengend. Deshalb muss man schauen: Was brauchen die anderen, um unsere Ideen mitzugehen? Und wie können wir Sorgen und Angst vor Veränderungen nehmen? Das wäre mein Anliegen, bevor ich auf die Schülerschaft schaue.

Sie sprechen davon, „emotional nicht auf den Wechsel vom Leistungssport in die normale Berufswelt vorbereitet“ gewesen zu sein und ihre Unsicherheit nicht zugelassen zu haben. Warum ist das wichtig? 

(Überlegt) Weil ich, wenn ich es nicht zulasse, ich wichtige Themen überspiele.  

Für jede Transformation im Leben ist es wichtig, genau hinzuschauen. Ich bin damals mit dieser Olympiasieger-Maske herumlaufen und wollte mir nicht eingestehen, dass ich unsicher bin. Dieses Überspielen sorgt dafür, dass wir die echten Probleme nicht sehen und das führt dazu, dass wir keine echten Lösungen finden.  

Deshalb sollte man genau hinschauen, woher die Unsicherheit kommt, sich Fragen stellen und in die Selbstreflexion gehen. Dann findet man die individuellen Schritte heraus, die für eine Lösung nötig sind.

Sie sprechen von Resilienz als Schlüssel zur gesunden Leistungsfähigkeit – was bedeutet Resilienz für Sie ganz persönlich? 

Das bedeutet zum einen, eine Widerstandsfähigkeit zu haben. Den Umgang mit Stress und Druck zu händeln und die Fähigkeit, die eigenen persönlichen Ressourcen für den eigenen Weg zu nutzen. Und ganz wichtig ist für mich auch, auf soziale Ressourcen zurückzugreifen, also sich andere Menschen zur Unterstützung zu holen.  

Wie ist denn Ihre persönliche Transformation letztlich gelungen? 

Ich habe mir soziale Unterstützung in Form eines Coachings geholt. Wir haben an meinen Werten und Haltungen gearbeitet und einen Raum geschaffen, in dem Reflexion und Dialog stattfinden können. Es waren viele kleine Schritte, die dazu geführt haben, dass die von mir gewünschte Veränderung stattfinden konnte. 

Welche Parallelen sehen Sie zwischen dem Leistungssport und der Leitung einer Schule? 

(lächelt) Ich bin nicht in der Schule tätig, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass eine Schulleitung mit vielen Anforderungen und Menschen klar kommen muss. Es ist wie in einem Unternehmen Stakeholder-Management. Und das ist ähnlich wie im Leistungssport. Veränderungen passieren ständig, es begegnet ihnen sehr viel und viel Unplanbares. Es passiert viel im Außen und darauf müssen Sie reagieren.  

Das sinnvoll zu händeln, dem gerecht zu werden, dafür braucht es die Fähigkeit, mit Stress und Druck umzugehen, bei sich selbst zu bleiben, aber gleichzeitig in Beziehung treten zu können mit den vielen Menschen und Systemen. 

Was sind die häufigsten mentalen Fallen, in die man in einen stressigen Schulalltag gerät – und wie kann man ihnen mit mehr innerer Stabilität begegnen? 

Typisch ist, dass ein Mensch in ein Katastrophenszenario fällt. Ich stehe unter Druck und mein erster Gedanke ist, dass es nur schief gehen kann. Es kann auch sein, dass ich in Selbstzweifel und Selbstverleugnung verfalle.  

Was bei uns allen passiert in der Drucksituation, ist, dass wir uns entweder kleiner machen oder größer machen als wir sind. Wir verlieren die Augenhöhe mit der Situation und anderen Menschen.  

Der Weg daraus ist, die Augenhöhe wiederherzustellen. Als erwachsener Mensch auf die Situation zu schauen und den Realitätsbezug wiederherzustellen. So können wir mit den Dingen einen Umgang finden.   

 In Ihrem Vortrag geht es um innere Stabilität in komplexen und hochdynamischen Zeiten – welche Strategien geben Sie Schulleitungen mit auf den Weg, um trotz Belastung wirksam zu bleiben? 

Ich möchte einen Vortrag halten, der Menschen berührt, der Denkanstöße gibt, bei sich selbst Lösungen zu suchen.  

Ich möchte zum einen das Thema individuelle Resilienz – also wie ich selbst mit Veränderungen umgehe – ansprechen. Und ich möchte den Umgang im Kollektiv besprechen.  

Was bedeutet dieser Stress und der Druck für das Team und für die Zusammenarbeit? Wie können wir mit dem Team den Fokus auf das Relevante setzen und trotz Stress, in Wirksamkeit kommen? Dazu möchte ich Haltungen, Denkmodelle und Reflexionsideen anbieten. 

Wandel und Belastung sind für viele Schulleitungen Alltag – wie können sie es schaffen, ihre Teams dabei mitzunehmen und gemeinsam resilienter zu werden, ohne die eigene Gesundheit zu vernachlässigen? 

Dafür gibt es keine Blaupause, sondern man benötigt eine individuelle Strategie. Häufig agieren wir aus Mustern heraus, die wir ein ganzes Leben lang angehäuft haben. Das ist eine lebenslange Arbeit, um diese Dialogfähigkeit zu erhalten. Und es braucht eine Klarheit der Identität. Wer wollen wir sein, wer müssen wir sein und wer sind wir – Stand heute? 

Generell gilt: Sie müssen als Erstes in eine echte Beziehungsqualität gehen. Fähig sein, einander echt zu begegnen, einander echt zu hören, mitbekommen, was ist eigentlich bei dem anderen los? Was sind die Störfaktoren, die verhindern, dass wir einander wirklich zuhören? Loslassen gehört auch dazu.  

Aus diesem Austausch können dann sinnvolle Lösungen entstehen. Dieses Wechselspiel gilt es auszutarieren. Im Vortrag erkläre ich das noch einmal beispielhaft anhand unserer Teamarbeit im Deutschland-Achter.  

Was wünschen Sie sich, dass die Teilnehmenden des Deutschen Schulleitungskongresses nach dem Vortrag mitnehmen – welche Veränderung oder Haltung soll in ihnen wachsen? 

Ich wünsche mir, dass wir uns von einfachen, linearen Antworten verabschieden. Die lineare Antwort in einem Unternehmen wäre es, wir zahlen den Mitarbeitenden Provision, damit sie mehr leisten.  

Ich wünsche mir aber, dass wir bereit sind, Fragen zu stellen und an Dingen zu arbeiten, die auch Mut kosten. In Beziehungsarbeit zu investieren kostet Mut. Für ein komplexes System wünsche ich mir, dass Menschen bereit sind, auf das zu schauen, was die Essenz ist von Entwicklung und Wirksamkeit. 

Das Gespräch führte Nina Braun

Der Interviewpartner

Andreas Knuffer

Sein Vortrag auf dem DSLK 2025:

Resilienz – Gesunde Leistungsfähigkeit in komplexen und hochdynamischen Zeiten 

Freitag, 28. November 2025 

11:15–12:15 Uhr