Interview: Erfahren Sie von Prof. Dr. Eckart von Hirschhausen, wie Nachhaltigkeit, Gesundheitskompetenz und Resilienz sich in Schulen immer mehr entfalten.
Wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns. Die Klimakrise ist die zentrale Gesundheitsbedrohung im 21. Jahrhundert und sprengt alle unsere Dimensionen von Fächern, Zuständigkeiten und ganz konkret auch dem Schulbetrieb, wenn eigentlich bald nur noch hitzefrei sein müsste. Wie gehe ich als Lehrkraft damit um, wenn sich Schüler:innen bei Fridays for Future engagieren und sich besser auskennen mit Energiewende, Welternährung und IPPC-Berichten als ihre Eltern und Lehrer:innen? Wie gehen wir mit der psychischen Belastung durch Katastrophenmeldungen um? Und wo gibt es Hoffnung, dass wir dieses entscheidende Jahrzehnt für die Transformation nutzen, damit die Erde bewohnbar bleibt?
Herr Prof. Dr. von Hirschhausen, Sie sind in diesem Jahr beim Deutschen Schulleitungskongress mit einem überaus wichtigen Thema dabei – „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“! Wie lässt sich dieses Thema am besten im Schulalltag integrieren?
von Hirschhausen: Als ehemaliger Arzt in der Kinderheilkunde liegt mir das Thema Gesundheit von Kindern und Jugendlichen seit 30 Jahren am Herzen. Dazu gehört nicht nur die körperliche, sondern auch die seelische Gesundheit.
Zum Thema Gesunde Schule durfte ich ja bereits 2017 in Düsseldorf sprechen. In den letzten fünf Jahren ist mir der Aspekt immer deutlicher und dringlicher bewusst geworden, dass wir nicht „das Klima“ retten müssen – sondern uns. Und obwohl ich ja auch schon in meiner Schulzeit etwas zu „Umwelt“ gehört habe und das Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung an vielen Stellen schon praktiziert wird, fehlt oft das „wozu“. Und darum wird es in diesem Vortrag gehen: Klimaschutz ist Gesundheitsschutz. Wir brauchen die Energiewende nicht wegen Putin, sondern weil fossile Energie immer mit dreckiger Luft einhergeht, die uns und den Planeten krank macht. Wir brauchen Artenschutz, nicht weil wir den Panda so süß finden, sondern weil wir brutal davon abhängig sind, dass natürliche Kreisläufe im Netz des Lebens funktionieren. Und wir können diese Transformation nicht im Gegeneinander schaffen, sondern nur wenn alle mit anpacken. Implementieren lässt sich das Thema fächerübergreifend, problem- und lösungsorientiert – Was kann der oder die Einzelne tun, was kann die Schulgemeinschaft tun.
Wann war bei Ihnen der Punkt erreicht, an dem Sie wussten, wir müssen etwas tun?
von Hirschhausen: Entscheidend für mich war meine Begegnung mit Jane Goodall. Ich traf sie für ein Interview beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Sie ist die weltweit bekannteste Schimpansenforscherin und Umweltaktivistin.
Sie stellte mir eine ganz einfache Frage: „Wenn der Mensch die intelligenteste Art auf dem Planeten ist – warum zerstört er dann sein eigenes Zuhause?“
Das war mein Klick-Moment. Seitdem bin ich auf der Suche nach guten Antworten. Ein Teil der Antwort ist mein Buch „Mensch, Erde! – Wir könnten es so schön haben“ und meine Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ mit einem tollen interdisziplinären Team um mich herum in Bonn und in Berlin. Wir konzentrieren uns auf die Kommunikation in die Mitte der Gesellschaft, und die Schulen sind ein wichtiger Teil davon.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf unser aller Gesundheit aus?
von Hirschhausen: Unsere Erde hat Fieber und das Fieber steigt. Sie gehört auf die Intensivstation. Sie hat „Multiorganversagen“, wenn man die Symptome zusammenzählt, und das ist ein echter Notfall. Die Lunge im Amazonas wird abgeholzt, der Jetstream-Kreislauf bricht zusammen, die Meere sind verstopft mit Plastik und können bald keine Wärme mehr aufnehmen. Wenn man noch lachen könnte, könnte man sagen, die Erde hat eine schwere Infektion mit Homo Sapiens und anderen Rindviechern. Spaß beiseite. Wir haben in den vergangenen Jahren bereits hautnah erlebt, wie sich der Klimawandel auf die menschliche Gesundheit auswirkt.
Was kann jeder von uns im Kleinen tun, damit unsere Erde bewohnbar bleibt?
von Hirschhausen: Das wichtigste, das ein Einzelner tun kann, ist kein Einzelner zu bleiben! Die entscheidenden Schritte sind nicht den Jutebeutel noch dreimal mehr zu benutzen, sondern weniger zu fliegen, weniger Fleisch zu essen und sich mehr politisch zu engagieren, in der Kommune, in den Gemeinden, in den Organisationen von BUND, NABU, Greenpeace bis zu den Pfadfindern. Wenn man sich ohnmächtig fühlt, ist die wichtigste Frage: Wo ist denn dann
die Macht? Und wer kennt wen, der etwas bewegen kann. Es ist eine politische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Herausforderung! Hier kann Schule & Bildung einen wunderbaren und wichtigen Beitrag leisten.
Vielen Dank für das inspirierende Interview, Herr Prof. Dr. von Hirschhausen!
Wenn Sie an mehr Input zu unserem Themenschwerpunkt Umweltschutz und Nachhaltigkeit leben interessiert sind schauen Sie doch mal bei unserem Programmausblick für 2023 vorbei.