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Einsatz von KI-Tools im Unterricht

Erfahren Sie im Interview mit Dr. Patrick Bronner, Lehrer am Friedrich-Gymnasium Freiburg, warum die Fähigkeit zur präzisen Formulierung von Prompts genauso bedeutsam ist wie die Analyse von KI-Antworten. Warum KI ein Thema auf Schulkonferenzen sein sollte und Zeit für den Austausch hierüber eingeplant werden muss sowie warum es ein langfristiges Ziel sein sollte, KI als einen selbstverständlichen Bestandteil der Lern- und Prüfungskultur anzusehen.

Wie können Schüler:innen KI-Werkzeuge wie ChatGPT im Unterricht gewinnbringend und reflektiert nutzen?

Dr. Patrick Bronner: Die Chancen und Risiken von KI-Tools sollten von allen Lehrer:innen im Unterricht sowohl fachsystematisch als auch allgemein thematisiert werden.

Im Fach Religion können die Grenzen der Urteilsfähigkeit der Antworten von ChatGPT diskutiert oder im Fach Gemeinschaftskunde der Faktengehalt einer politischen Aussage überprüft werden. In Chemie kann eine von ChatGPT erstellte Versuchsanleitung analysiert oder in Mathematik eine formulierte mathematische Herleitung beurteilt werden.

Die Tatsache, dass die Antworten von ChatGPT noch nicht perfekt sind, ist ein großer Vorteil für das Lernen. Allerdings benötigen die Schüler:innen zur Bewertung der Antworten der Text-KI ein solides Fachwissen und gleichzeitig ein gutes Textverständnis.

Neben der Analyse von Antworten sollte im Unterricht auch Wert auf die Erstellung von Prompts gelegt werden. Je präziser und ausführlicher der Prompt formuliert wurde, desto passender und genauer ist die Antwort von ChatGPT. Schüler:innen können im Unterricht mit Hilfe von selbst erstellten Mega-Prompts virtuelle Bewerbungsgespräche führen, ChatGPT wie ein Mathematiklehrer antworten lassen oder die Text-KI dazu bringen ein fiktives Gespräch mit einer historischen Person zu führen.

Sind solche Unterrichtsszenarien, bei denen Schüler:innen KI-Tools aktiv im Unterricht einsetzen, überhaupt erlaubt?

Dr. Patrick Bronner: Die Kultusministerien aller Bundesländer unterstützen den Einsatz: „KI muss aktiv im Schulunterricht behandelt werden, da die Schülerinnen und Schüler lernen müssen, mit dieser neuen Technologie umzugehen. […] Zudem werden Text-KI-Tools von Lehrkräften als methodisch-didaktische Werkzeuge verwendet.“ fordert beispielsweise das Kultusministerium Baden-Württemberg.

Wichtig dabei ist die Beachtung des Datenschutzes: Lehrer:innen dürfen die Lernenden nicht verpflichten, ihren oft bereits vorhandenen privaten ChatGPT-Account im Unterricht einzusetzen. Mittlerweile gibt es über Softwareanbieter wie z. B. fobizz oder schulKI die Möglichkeit, KI-Tools über eine API-Schnittstelle datenschutzkonform im Unterricht zu nutzen. Als Lehrkraft logge ich mich in das jeweilige Webportal ein und eröffne einen virtuellen Klassenraum mit temporären Schüleraccounts. Die Lernenden scannen mit ihrem schulischen Endgerät den Zugangslink über den QR-Code und haben bis zu sieben Tage Zugriff auf die von der Lehrkraft freigegebenen KI-Tools.

Erstellung von KI generierten Bildern im Fach Physik: Isaac Newton als Comic-Figur mit Apfel.
Klassenarbeit einer 7. Klasse im Fach Mathematik: Analyse eines vom Lehrer erstellen Dialogs mit ChatGPT.

Wie können Schulleitungen möglichst alle Lehrerinnen und Lehrer auf dem Weg ins KI-Zeitalter mitnehmen?

Dr. Patrick Bronner: Das Schulleitungsteam an meiner Schule, dem Friedrich-Gymnasium Freiburg, hat das Thema zum Schwerpunkt einer Gesamtlehrerkonferenz im Juli 2023 gemacht: Nach einem einstündigen Expertenvortrag aus der Schulpraxis, einer Erprobungsphase von KI-Tools und anschließender Diskussion wurde beschlossen, dass alle Lehrerinnen und Lehrer einen datenschutzkonformen Account zur Nutzung von KI-Tools für den Unterricht erhalten.

Im Schuljahr 2023/24 wird es nun bei jeder Gesamtlehrerkonferenz ein 15-minütiges KI-Zeitfenster geben, bei dem sich die Kolleg:innen gegenseitig konkrete Unterrichtsbeispiele vorstellen sollen. Im Juli 2024 wird der Einsatz von KI im Unterricht und die datenschutzkonforme Nutzung der KI-Tools evaluiert.

Um unsere Eltern über den DSGVO-konformen Einsatz von KI-Tools und die Funktionen des KI-Klassenzimmers am Friedrich-Gymnasium zu informieren, wurde auf der Schulwebsite eine Seite „KI in der Schule“ eingerichtet.

Es geht aber auch noch viel ausführlicher: Die Schulleitung einer benachbarten Schule veranstaltete kurz vor den Sommerferien einen pädagogischen Tag zum Thema „Digitale Medien & KI“: Zunächst ging es in einem 1,5 h Vortrag um die neue Lern- und Prüfungskultur mit digitalen Medien. Danach folgte ein 3-stündiger Workshop zum Einsatz von KI-Tools. Im Anschluss ging es innerhalb der einzelnen Fachschaften eine Stunde lang um den Transfer der Inhalte aus Vortrag und Workshop auf die einzelnen Klassenstufen. Die fachspezifischen Überlegungen zum reflektierten Einsatz von KI wurden zum Abschluss des pädagogischen Tages im Rahmen einer Poster-Galerie präsentiert und sollen im Laufe des neuen Schuljahres von den Fachschaften immer wieder aufgegriffen, erweitert und ergänzt werden.

Sobald die ersten KI-Anwendungsszenarien erfolgreich im Klassenzimmer erprobt wurden – wie geht es mit der Unterrichtsentwicklung weiter?

Dr. Patrick Bronner: Wenn künstliche Intelligenz Lerngegenstand ist, dann sollte KI auch Prüfungsgegenstand sein, sonst nehmen es viele Schüler:innen nicht ernst.

In der Unterstufe kann ein ChatGPT-Dialog mit ungenauem Prompt und unklarer Antwort in Form eines Bildes in die Klassenarbeit integriert werden: Aufgabe für die Schüler:innen ist es, den Prompt zu verbessern, die richtigen und falschen Schritte in der Antwort von ChatGPT mit grünen und roten Markern zu markieren und schließlich die falschen Antworten handschriftlich zu korrigieren. In Tablet-Klassen der Mittelstufe können die Schüler:innen direkt in der Klausur mit ChatGPT arbeiten: Zu einer Aufgabenstellung soll ein passender Mega-Prompt formuliert und die resultierende Antwort genau analysiert werden.

KI-Tools sollten aber auch zunehmend mit offenen, forschenden und projektartigen Arbeitsaufträgen verknüpft werden. Mit einer offen formulierten Aufgabenstellung, z.B. im Rahmen einer Projektarbeit, werden die Schüler:innen zu Produzent:innen ihres eigenen Wissens. Im Rahmen der Projektmethode erfahren die Lernenden ein hohes Maß an Handlungsorientierung, Selbstwirksamkeit, sozialer Eingebundenheit und Autonomie. Ein Beispiel für ein solche digitales Mathematik-Projekt mit dem Einsatz von KI-Tools und Peer-Feedback gibt es hier: https://bit.ly/47pM9tF

Klassenarbeit einer 10. Tablet-Klasse im Fach Physik: Erstellung eines Mega-Prompts in ChatGPT und Analyse der Antwort.
Poster bei einem pädagogischen Tag zum Thema „KI in Verbindung mit einer neuen Lern- und Prüfungskultur“.

Und was ist Ihr Fazit?

Dr. Patrick Bronner: Das langfristige Ziel sollte sein, dass der kompetenzorientierte Einsatz von digitalen Medien und KI-Tools von Lehrer:innen nicht als Herausforderung gesehen wird, sondern zu einem selbstverständlichen Teil der Lern- und Prüfungskultur wird. Schulleitungen können dazu wichtige Impulse geben.

Über den Autor

Dr. Patrick Bronner erhielt für den kompetenzorientierten Einsatz von Smartphones im Klassenzimmer den Deutschen Lehrerpreis 2016. Er unterrichtet am Friedrich-Gymnasium Freiburg, bildet Referendare aus, ist Fachberater für Unterrichtentwicklung und hält Vorträge zur digitalen Bildung. Weitere Informationen unter https://www.patrickbronner.de

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