Schulleiter und KI-Experte Pavle Madzirov sagt, dass zukünftig alle Lehrkräfte ihre Routinetätigkeiten an die KI auslagern und sich als Lernbegleiter verstehen werden. Ein Gespräch über die Zukunft des Lernens und Lehrens.
Herr Madzirov, was hat Sie dazu motiviert, sich auf Künstliche Intelligenz im Unterricht zu konzentrieren?
Anfangs wollte ich mich selbst nur entlasten. Mittlerweile ist klar, dass Künstliche Intelligenz unser ganzes Leben verändern wird. Jetzt halte ich es für meine Pflicht, die Kinder und Jugendlichen im Umgang mit KI zu unterweisen und sie über die Chancen und Herausforderungen aufzuklären, um sie auf eine Arbeitswelt vorzubereiten, die von KI geprägt sein wird.
Ihre Schule gilt als Vorreiter in der digitalen Transformation. Welche Schritte haben Sie und Ihr Team unternommen, um diesen Status zu erreichen?
Mir ist es wichtig zu betonen, dass die Teilnahme für das Kollegium freiwillig war. Ich finde, wir müssen weg von dem Denken, dass einer etwas vorgibt und alle müssen mitmachen. Zu Beginn waren auch nur die Lehrerinnen und Lehrer dabei, die wirklich Lust hatten.
An unserer ersten KI-Fortbildung hat die Hälfte des Kollegiums teilgenommen, und sie fand nachmittags, weit nach Unterrichtsschluss, statt. Das lief offenbar so gut, dass kurze Zeit später der Lehrerrat zu mir kam und um eine weitere Fortbildung für die andere Hälfte des Kollegiums bat. Das Ergebnis überzeugte. Der Einsatz von KI an unserer Schule wurde dann ein Selbstläufer.
Können Sie uns ein konkretes Beispiel für den Einsatz von KI im Schulalltag geben und erläutern, welche positiven Auswirkungen er hat?
Ich habe 146 Arbeitsprozesse identifiziert, in denen wir KI einsetzen können. Das beginnt bei der Planung eines Gesprächs, über rechtliche Fragestellungen, bis hin zu Präsentationen, Unterrichtsplanung, Differenzierung, Personalisierung im Unterricht und Konfliktmanagement. Für all diese Prozesse setzen wir KI-Tools ein.
Wir haben kürzlich eine Evaluation unter 30 zufällig ausgewählten Lehrkräften der Schule durchgeführt. Alle nutzen KI für die Unterrichtsvorbereitung, 30 Prozent täglich und der Rest wöchentlich. Das hätten wir auch nicht gedacht.
Inhaltlich berichten die Lehrkräfte zu 70 Prozent von deutlichen Verbesserungen, drei Prozent halten nichts von den Tools, und die restlichen sagen, dass die Verbesserungen exzellent seien.
Sind Sie schon so weit, dass Sie individuell mit der KI fördern können?
Ja, wir haben aktuell personalisiertes Lernen mit KI in die Lehrpläne von Deutsch, Mathematik und Englisch integriert. In Informatik war das Thema schon länger präsent.
In den höheren Klassen versuchen wir, das personalisierte Lernen noch stärker auszurichten. Gerade haben wir beispielsweise einen Bot zu den zentralen Abschlussprüfungen entwickelt, der speziell für die 10. Klasse gedacht ist.
Wir arbeiten weiter daran, den Schülerinnen und Schülern die Kompetenz zu vermitteln, KI-Tools selbst zu gestalten, die an ihren Interessen orientiert sind.
So haben wir beispielsweise einen Jungen aus Duisburg, der sich für Fußball interessiert, aber nicht so sehr für Mathematik. Der Bot wird ihn trotzdem besser auf die Mathearbeit zum Thema Brüche vorbereiten, als es jedes Buch und jede Lehrkraft könnte, weil er über mehr Daten verfügt. Ich bin überzeugt, dass diese Art der Personalisierung von einer Lehrkraft für 30 Kinder niemals erreicht werden kann.
Das Ziel muss außerdem sein, dass jeder selbst damit umgehen kann, denn niemand kennt sich selbst besser als man selbst.
Und das ist etwas, das die Schülerinnen und Schüler später im Leben auch brauchen werden…
Das ist die Zukunftskompetenz schlechthin. Das Personalisierte wird sich wirtschaftlich durchsetzen. Öffnen Sie mal die Netflix-App. Die sieht bei mir anders aus als bei Ihnen. Der KI-Algorithmus hat alles bereits vorsortiert.
Wer einen Bot bauen kann, hat zudem seine Medienkompetenz erweitert.
Das ist eigentlich ein Kinderspiel. Ich erkläre das in 15 Minuten. Das Problem dabei ist häufig, dass die, die das erklären sollten, es selbst noch nicht verstehen.
Welche Schwierigkeiten sind Ihnen bei der Implementierung von KI in der Schulorganisation begegnet?
Die Akzeptanz. Einige Leute denken, dass es merkwürdig wirkt, wenn sie KI für einen Mailtext verwenden, oder sie haben ein schlechtes Gewissen und glauben, es sei Schummeln, wenn die KI die Arbeit übernimmt. Hinzu kommt rechtliche Unsicherheit, da es bisher noch kein Gesetz dazu gibt. Auch das hohe Tempo der Entwicklungen im Bereich der KI verunsichert.
Wie haben Sie diese Stolpersteine überwunden?
Auf diese Einwände antworte ich: Sie müssen selbstverständlich hinter der Nutzung eines KI-generierten Textes stehen. Sie sollten ihn selbst gelesen und gegebenenfalls korrigiert haben. Ich bin für einen offenen Umgang damit und möchte das gar nicht verbergen. Meinetwegen kann es eine Kennzeichnungspflicht geben.
Wenn ich mich jedoch über die neuesten KI-Entwicklungen informieren möchte, muss ich über den deutschen Tellerrand hinausschauen. Dazu habe ich in meinem KI-Bot eingestellt, dass er mir jeden Morgen um 9 Uhr die neuesten Nachrichten dazu in mein Mailpostfach sendet.
Welche ethischen Überlegungen sollten Schulleitungen anstellen, bevor sie KI-Technologien in ihren Schulen einführen?
Diese Diskussionen führen wir natürlich. Man muss sich zunächst überlegen, mit welchem Ziel man die KI einsetzen will. Die Ängste von Menschen wie “Was wird aus mir, wenn die KI diese Aufgaben übernimmt?” sind ebenfalls berechtigt und sollten ernst genommen werden. Werden Lehrkräfte morgen noch Lehrkräfte sein?
Viele definieren Lehren beispielsweise als Vermittlung von Wissen. Das ist natürlich vorbei. In Zukunft wird das absurd sein.
In der Zukunft wird es immer noch Menschen geben, die in der Schule arbeiten, aber sie werden, meiner Meinung nach, nicht mehr Lehrkräfte genannt. Ihre Aufgaben werden sich komplett ändern. Sie werden Moderatoren der Lernwege von Menschen sein. Sie werden das Lernen orchestrieren, moderieren, Tools auswählen, erziehen, Werte und Life Skills vermitteln sowie Demokratie und Nachhaltigkeit fördern – all das, was wir uns eigentlich wünschen zu tun.
Und ich muss nie wieder hören: “Ich muss doch noch den Lernstoff durchbringen.” Das erledigt dann die KI, die kann das besser. Wir Lehrkräfte flankieren diesen Prozess.
Wie sehen Sie die Rolle von Künstlicher Intelligenz in den Schulen in den nächsten fünf Jahren?
Ich sehe sie ähnlich wie im Modell der Alpha Schulen aus Texas/USA. Die Kinder erhalten zwei Stunden lang allein den KI-basierten Input, der restliche Tag ist in Projekten organisiert. Alles ist sehr praktisch strukturiert. Erste Studien zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler die gleichen Abschlüsse erreichen wie an Schulen, die acht Stunden täglich unterrichten.
Welche konkreten Empfehlungen würden Sie anderen Schulleitungen geben, die gerade erst in den Bereich der digitalen Transformation und des Einsatzes von KI einsteigen?
Sie sollten nicht die Fehler machen, die ich gemacht habe. Als ich anfing, gab es keine Hinweise, wie man vorgehen soll. Diejenigen, die jetzt beginnen, können die Sache strategischer angehen. Wer jetzt einsteigt, sollte sich zunächst selbst fit machen, viel ausprobieren und dann evaluieren und wieder von vorne anfangen.
Wenn Sie eine Botschaft an alle Schulleitungen in Deutschland richten könnten, was wäre das?
Haben Sie keine Angst. Fangen Sie sofort an. Sie können nichts falsch machen. Die KI verzeiht alles.
Die Fragen stellte Nina Braun

Über den Referenten
Als Schulleiter einer KI-Leuchtturm-Schule in NRW hat Pavle Madzirov Maßstäbe im KI-gestützten Schulmanagement sowie im Unterricht gesetzt. Für seine innovativen Ansätze wurde seine Schule mehrfach ausgezeichnet und ist deutschlandweit ein Vorbild. In seinen Bestsellern verbindet er fundiertes Wissen über Schulmanagement mit praxisnahen Anleitungen, wie Schulleitungen KI nachhaltig in der Schule integrieren können.
Sein Vortrag auf dem DSLK 2025: Best of KI für Schulleitungen
Donnerstag, 27. November 2025 I 12:30–14:00 Uhr
KI-Experte Pavle Madzirov sagt, dass zukünftig alle Lehrkräfte ihre Routinetätigkeiten an die KI auslagern werden und sich als Lernbegleiter um konkrete Fragen und die sogenannten Life-Skills kümmern. Dazu gehören beispielsweise:
- Praktischer Projektunterricht
- Demokratieerziehung
- Ethik
- Sozialverhalten