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Schule der Zukunft: Sieben Handlungsoptionen

Während die fortgeschrittenen Gesellschaften weltweit sich mit der Notwendigkeit eines schnellen, fast alle Bereiche umgreifenden Transitionsprozesses konfrontiert sehen und zukunftsorientierte Politikschaffende deshalb radikale Eingriffe in fast alle Bereiche der Gesellschaft und unser Alltagsleben vorantreiben, verharren die Kultusbürokratie und zu viele Schulen in einer eher abwartenden Position. Dabei sollte angesichts der Zuspitzung des Klimawandels, der wachsenden Schere zwischen arm und reich sowie zuletzt der Coronakrise klar sein: Wenn es uns gelingen soll, den Übergang von einer ressourcenüberspannenden expansiven Wachstumsgesellschaft zu einer das Naturkapital schützenden oder sogar erweiternden, sozial gerechten Nachhaltigkeitsgesellschaft zu gestalten, dann muss es uns schnell gelingen, Heranwachsende mit den entsprechenden Zukunftskompetenzen auszustatten. Dieser Anspruch lässt sich nicht mit einer Reparatur oder Ergänzung einzelner Bereiche erreichen, sondern die Zukunft der Schule bedarf eines grundlegenden Neuentwurfs, der alle Bestandteile umfasst. In „# Schule der Zukunft“ (Burow 2022) arbeite ich mit Verweis auf einschlägige Studien „sieben Handlungsoptionen“ heraus, die eine Orientierung für den anstehenden Wandel geben. Dabei handelt es sich um folgende Punkte: 

1. Digitalisierung kreativ nutzen
2. Talente und Neigungen stärken
3. Neue Bildungsräume erschließen
4. Agile Schulkultur gestalten
5. Gesundheit, Glück und Resilienz sichern
6. Demokratie und Gerechtigkeit leben
7. Zukunftskompetenz fördern

Talente und Neigungen stärken

In einer arbeitsteilig organisierten ausdifferenzierten Gesellschaft geht es – anders als zu Zeiten der industriellen Massenproduktion – immer weniger darum, dass alle das gleiche können, sondern dass jede*r etwas Besonderes kann. Wie der englische Theaterpädagoge Ken Robinson in seinen millionenfach geklickten Youtube-Videos belegt, zeichnet es erfolgreiche Persönlichkeiten aus, dass sie das Glück hatten, frühzeitig ihr „Element“ zu finden und sie darin systematisch unterstützt wurden. Sein Begriff des „Elements“ beschreibt ein Talent oder eine Neigung, etwas das mir „liegt“, das meine „innere Bestimmung“ ausdrückt und quasi intrinsisch einen Wunsch nach Vervollkommnung erzeugt, der die entscheidende Voraussetzung bildet für die Befähigung zu dem jetzt immer stärker geforderten eigenständigen, lebenslangen Lernen.

Wie ich in „Team-Flow“ (Burow 2015) anhand der Nachverfolgung von Lebensläufen erfolgreicher Teams gezeigt habe, bedarf es neben der Talent- bzw. Neigungsförderung auch der Schaffung entwicklungsförderlicher Umgebungen, in denen man in Projekten mit geeigneten Synergiepartnern Problemlösungs- und Gestaltungskompetenz entwickeln kann. Eine bislang zu wenig umgesetzte Voraussetzung dafür ist, wie Beutel & Pand (2020) gezeigt haben, der Abschied von lernfeindlichen Bewertungssystemen und deren schrittweise Ersetzung durch personalisierte, lernförderliche Rückmeldungen. Hier, wie auch in anderen schulischen Bereichen, bieten Lernplattformen und KI-Bots, sofern man sie angemessen einsetzt, viele Chancen für eine optimierte Lern- und Unterrichtsgestaltung.

Zukunftskompetenz fördern

Schüler*innen, die medienmündig sind und gelernt haben, digitale Medien souverän zu nutzen, die in ihren Talenten und Neigungen erkannt und gestärkt wurden, die neue Bildungsräume erschlossen und genutzt haben, die mitgestaltender Teil einer agilen, lernenden Schulkultur geworden sind, die Gesundheitskompetenz und Resilienzfähigkeiten erworben haben, denen erweiterte Bildungs- und Teilhabechancen offeriert wurden und die an ihrer Bildungseinrichtung Demokratie als Lebensform erfahren und gelebt haben, sind ausgezeichnet ausgestattet für ein Leben in einer immer schneller sich wandelnden von zunehmender Unsicherheit geprägten Welt. Damit sie darüber hinaus in der Lage sind, aktiv auf die Gestaltung ihrer Welt Einfluss zu nehmen, benötigen sie – und dies ist meine siebente Begründung für die Notwendigkeit einer Neuerfindung von Schule – spezielle Zukunftskompetenzen, die Fadel et.al. (2017) mit den Kernpunkten Kritisches Denken und Problemlösen, Kommunikation und Kollaboration, Kreativität und Innovation umrissen haben. Dabei gilt es einen Grundirrtum der alten Schule zu überwinden: die Annahme Wissen sei eine Kompetenz. Wir alle kennen Personen, die viel wissen, aber sich im Alltagshandeln als inkompetent erweisen. Wie Arnold und Erpenbeck (2016) herausgearbeitet haben, entsteht Kompetenz erst durch die Verbindung von Wissen, Haltung, Handeln sowie der Befähigung zu Metareflexion.

Deutlich wird dieser Zusammenhang im nachfolgend abgebildeten „Singapur Rahmenkonzept schulischer Kompetenzen für das 21. Jahrhundert“, das ich durch die Hervorhebung von vier Kernpunkten pointiert habe:

Manuskript des OECD

Die von mir hier knapp zusammengefassten Handlungsoptionen zielen im Sinne einer Ausbildung dieser Zukunftskompetenzen darauf ab, die „#Schule der Zukunft“ schrittweise in einen Ort zu verwandeln, an dem Heranwachsende nicht nur Wissen anhäufen, um es in formalisierten Prüfungen zu reproduzieren, sondern vor allem ihre Talente und Neigungen entwickeln, um zu einem aktiv mitgestaltenden Leben in einer krisenhaften, schnell sich wandelnden Weltgesellschaft voller unvorhersehbarer Überraschungen beitragen zu können. Im Rahmen meines Vortrags auf dem DSLK 2024 werde ich Ihnen nicht nur die bereits erwähnten Punkte näherbringen, sondern auch die weiteren vier Handlungsoptionen vorstellen.

Freitag, 08.November 2024 um 15:15 Uhr

Literatur:

Arnold, R. & Erpenbeck, J.(2016): Wissen ist keine Kompetenz. Baltmannsweiler: Schneider Verlag-Hohengehren.
Beutel, S.-I. & Pant, H. A. (2020): Lernen ohne Noten. Alternative Konzepte der Leistungsbeurteilung. Stuttgart: Kohlhammer.
Burow, O.A. (2015): Team-Flow: Gemeinsam wachsen im Kreativen Feld. Weinheim: Beltz.
Burow, O.A. (2022): # Schule der Zukunft: Sieben Handlungsoptionen. Weinheim Beltz.
Fadel, C., Bialik, M. & Trilling. B. (2017). Die vier Dimensionen der Bildung. Was Schüler*innen und Schüler im 21. Jahrhundert lernen müssen. Hamburg: Verlag ZLL21 e.V.
OECD (Hrsg.) (2021a): Lernkompass 2030. www.oecd.org/education/2030-project/contact/OECD_Lernkompass_2030.pdf [11.08.2021].

Über den Autor

Olaf-Axel Burow bis 2017 Prof. für Allgemeine Pädagogik an der Universität Kassel sowie Autor zahlreicher Bücher zur Zukunft des Lehrens und Lernens. Mit dem „Institute for Future Design“ (www.if-future-design.de) berät er Bildungseinrichtungen und Unternehmen zu Fragen der Zukunftsgestaltung. 

Auf dem DSLK wird er am Freitag, den 08. November 2024 um 15:15 Uhr sprechen. 

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