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Trotz Stress den richtigen Ton treffen

Claudia Duschner ist heute ein Coach, wie sie ihn selbst gerne gehabt hätte. Die Pädagogin und Opernsängerin trainiert Schulleitungen und andere Führungskräfte zu Ihrem Auftreten und der Wirkung Ihrer Stimme.

Frau Duschner, Sie sind ausgebildete Lehrerin und Sopranistin und heute Coach für das Sprechen und Auftreten. Gab es einen Moment, der Sie dazu gebracht hat, aus dem Bühnenberuf einen Kommunikations- und Beratungsberuf zu machen?

Es gab keinen Moment, das war eher eine Entwicklung. Meine größte Hürde als Sängerin waren immer die Nerven. Das heißt, in Proben war ich immer sehr gut. Aber auf der Bühne beim Vorsingen haben wir zwei Minuten Zeit, um zu überzeugen. Damit hatte ich Probleme. Und dann habe ich angefangen zu suchen, warum das bei Kolleginnen und Kollegen gut läuft und bei mir nicht klappt. Gleichzeitig habe ich immer unterrichtet und konnte ausprobieren, ob das, was ich für mich herausgefunden habe, auch bei anderen funktioniert.

Das klingt super: Sie haben aus Ihrer Schwäche einen Beruf gemacht. Was finden Sie reizvoll an der Coaching-Arbeit mit Schulleitungen?

Meine Aufgabe bei der Coaching-Arbeit ist es, Stimme und Sprechen und Sprache in Übereinstimmung zu bringen, um eindeutige Botschaften zu erzeugen. Das ist besonders anspruchsvoll, weil Schulleitungen ganz unterschiedliche Ebenen haben, auf denen Sie kommunizieren müssen. Es gibt Eltern, Kinder und Jugendliche, das Kollegium, die Verwaltung und noch mehr.

Sie arbeiten ja auch in anderen Branchen. Was unterscheidet Pädagogen von anderen Branchen, mit denen Sie arbeiten?

Meine Erfahrung mit den unterschiedlichen Branchen ist: Sie ticken alle total unterschiedlich. Die Erzieherinnen, die Lehrkräfte, die Schulleitungen, die Ärzte und die Menschen aus der Wirtschaft, Politik und Sport. Sie haben unterschiedliche Codes, Hierarchien, unterschiedliche Arten sich auszudrücken.

Was sind häufige stimmliche Herausforderungen, die Sie bei Schulleitungen beobachten, und wie können diese gezielt angegangen werden?

Sie müssen von einer Sekunde auf die andere von einer dominanten Stimmlage (macht es vor) in eine neutrale Stimmlage wechseln können. Sie müssen ihre Mitte finden. Dafür gibt es den Fachbegriff persönlichen Eigenton. 
Wir haben aufgrund unserer unterschiedlichen Stimmbandgröße jeder eine andere Stimmsprechlage. Beim persönlichen Eigenton dagegen merkt das Gegenüber sofort, ob der Sprechende stressfrei ist. Das ist meine Mission: Diese Souveränität in der Stimme herstellen. Souveränität ist die Abwesenheit von Angst.

 

Wie kann eine bewusste Stimmführung das Führungsverhalten einer Schulleitung positiv beeinflussen?

Mein Ziel ist, dass Schulleitungen in Ihrem Eigenton bleiben als auch sich stimmlich auf das Gegenüber einlassen können. Beispiel: Gegenüber dem
grenzüberschreitenden Schüler brauche ich eine „tonangebende“ Tonlage. Mit verunsicherten Eltern eine eher mitfühlende – und auch anders herum. Beim Informationsaustausch mit der Stadt sollte man sachlich neutral kommunizieren. Man kann in diesen Positionen nicht immer nur man selbst sein. Stimmführung ist Selbstführung.
Ich muss mich selbst beleben können. Ich muss auch aus mir rauskommen können, wenn ich eigentlich der Typ „ruhiger Fels in der Brandung“ bin.
Wenn ich ein Feuerwerkstyp bin – so wie ich (redet sehr laut), muss man auch in der Lage sein, andere zu beruhigen. Man muss sich bewusst machen, wie schnell Worte anders wirken, wenn ich die Stimme anders einsetze.

In welche Techniken sollten Schulleitungen investieren, um auch in Krisensituationen ruhig und kompetent zu sein?

Das ist in erster Linie Atemführung. Wenn ich keinen freien Atemfluss habe, dann ist mein Steinzeit-Gehirn angespannt. Das wirkt sich auf die Stimme auf. Dann merkt mein Gegenüber, “na so sicher ist dieser Mensch gerade nicht”.

Gerade bei Grenzziehungen und notwendigen Ansagen ist das wichtig. Die Grenze muss stimmlich, mit dem Inhalt der Worte und mit dem Körper klar werden. Bildlich gesprochen muss man auch mal den Ober-Löwen spielen können. Oft merken dann erst die Junglöwen, an den komme ich nicht ran und respektiere ihre Rolle und Position. Nach meinen Erfahrungen ist das oft schwierig. Diese Positionierung kommt nicht automatisch, wenn das einem von Natur aus nicht liegt.

Was sind Strategien für Schulleitungen, um an ihrer stimmlichen Weiterentwicklung zu arbeiten?

Selbstreflexion ist wichtig. Ich muss wissen, wer, wann und wie mich triggert. Das ist bei jedem anders. Wo ist mein Schlupfloch, in das ich falle? Wenn ich das kenne, kann ich es schließen.

Außerdem muss ich wissen, wie ich Distanz zur Situation aufbaue. Das ist eine mentale, emotionale und körperliche Arbeit. Dafür liefere ich Übungen für den Bauch, den Luftfluss und die Atemführung.
Ein Beispiel: Kleinste Zeichen von Unsicherheit können sofort schwächen. Dann geht der Blick vielleicht zur Ablenkung nach oben oder zur Seite. Man geht unbewusst aus dem Kontakt mit dem Gegenüber. Dann wissen die anderen sofort: Der oder die ist “instabil”. Das Gegenrezept ist das Gleiche wie auf der Bühne: “fake it, till I make” (“Tue so als ob, bis du es kannst”). Viele Schulleitungen sind nett und empathisch und wie man sich Lehrer*innen wünscht. Aber in der Führungsrolle darf man das nicht immer sein. Man hat eine Verantwortung für viele Menschen.

Wie können Schulleitungen das Gelernte aus Ihrem Training in ihren Alltag integrieren, um ihre Stimme zu stärken?

Meine Übungen kann jeder in kürzester Zeit lernen. Auf dem Weg zur Schule oder vor wichtigen Treffen beispielsweise zu reflektieren und Übungen zur körperlichen Stress-Regulation zu machen.
Mein Mini – Tipp: Ausatmen, Hand auf den Bauch und dreimal tief – in die richtige Richtung – atmen. Das aktiviert den Vagusnerv. Der Vagusnerv ist der Hauptnerv im parasympathischen Nervensystem und der fährt das gesamte Muskel- und Nervensystem aus dem Stresslevel in den Ruhezustand herunter. Erst wenn das passiert, kann klar und logisch gedacht und agiert werden.

Könnten Sie uns an einem Beispiel erzählen, wie Schulleitungen ihre stimmlichen Fähigkeiten verbessern können?

Ich rate zu gedanklichen und emotionalen Sortieren etwa vor Konferenzen, denn Menschen beurteilen uns innerhalb von drei Sekunden. Klarheit schafft Ruhe und Führung braucht Ruhe. Also tut es gut, sich selbst vor einer solchen Situation klar zu machen, worum geht es in dieser Situation gerade wirklich? Welche Spannung muss ich aushalten? Wie reagiere ich wobei? Wie setze ich die Stimme bewusst ein? Gibt es diesmal Konfliktpotential?
Vieles macht man natürlich intuitiv genau richtig. Aber man ist auch immer in seiner seiner eigenen Persönlichkeitsstruktur mit den eigenen Mustern unterwegs. Deswegen ist Reflexion – gerade auch mit einem gleichrangigen Kollegen mit ähnlichen Themen und Herausforderungen – wichtig.

Der Anspruch, immer authentisch sein zu wollen, kann gefährlich sein. Ich muss ich sein können und ich muss mich verändern können, wenn ich von meiner privaten Einstellung her eigentlich gerne anders handeln würde. Doch die Realität der Position, in der ich agiere, fordert viele unterschiedliche Facetten von Führung. Das ist nicht einfach und das ist auch anstrengend. Weil es an und auch über Grenzen geht und schmerzhaft sein kann. Aber wenn man das schafft, bleibt man meines Erachtens klar, souverän und bewahrt den eigenen inneren Frieden. Wir leben oft in so unterschiedlichen Lebenswelten, dass sich verstehen eben oft nicht leicht fällt. Klare Kommunikation ist heutzutage sehr herausfordernd und dabei so notwendig.

Das Interview führte Nina Braun

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Über den Autor

Claudia Duschner

Stimm-Expertin. Stimm-Trainerin. Keynote-Speakerin. Sopranistin. Dozentin. Dirigentin. Germanistin STIMMSTUDIO Mülheim an der Ruhr

Claudia Duschner hat Lehramt und Operngesang studiert und arbeitet seit 2000 als
Stimm-Coach. Auf dem Schulleitungskongress hält sie am Freitag, 28. November 2025, 15:15–16:15 Uhr Ihren Vortrag zu Stress-Regulation und Selbst-Management.

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