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Konfrontative Pädagogik

Interview: Prof. Dr. Jens Weidner ist Professor für Kriminologie & Sozialisationstheorie an der HAW in Hamburg. Er befasst sich in diesem Interview mit der Thematik Schwieriges Verhalten verstehen, aber nicht einverstanden sein.

Die Konfrontative Pädagogik bietet Schüler:innen Paroli, die mobben, beschimpfen, den Unterricht massiv stören, schlagen oder Sachbeschädigungen begehen. Sie wertschätzt diese Schüler:innen, aber nimmt deren Fehlverhalten ins Kreuzfeuer der Kritik. Hunderte Schulen arbeiten mit diesen Leitlinien, mit dem Ergebnis, dass sich die Auffälligkeiten an den betroffenen Schulen spürbar reduzieren und sich die Lehrer:innen spürbar entspannen. Weniger Stress, mehr Entspannung! Was will man mehr?

Herr Prof. Dr. Weidner, in diesem Jahr sind Sie wieder als Speaker beim Deutschen Schulleitungskongress dabei. Können Sie uns kurz umschreiben, welches Thema die Teilnehmenden in Ihrem Vortrag erwartet?

Weidner: Wer an einem fachlich- unterhaltsamen Vortrag mit einer Prise schwarzem Humor und nicht zu viel Sensibilität seine Freude hat, wird bei mir voll auf die Kosten kommen. Es geht um die Frage, wie aggressive und abweichende Schüler:innen denken. Wie sie ihr Verhalten rechtfertigen, mit dem sie Mitschüler:innen und Lehrer:innen ihr Schul- und Berufsleben erschweren. Das Motto des Vortrages lautet: diese Schüler:innen verstehen, aber nicht mit ihrem Verhalten einverstanden
sein. Und es geht darum, wie wir ihrem nervigen Verhalten Grenzen setzen. Lehrerinnen und Lehrer haben einen harten Job, da braucht niemand zusätzlich dieses Gezicke und Gemobbe abweichender Schüler:innen, deren Verhalten im schlechtesten Fall auch noch von betriebsblinden Eltern schöngeredet oder verharmlost wird. Dieser Vortrag leistet einen Beitrag zum Selbstschutz der Lehrer:innen, damit sie ein besseres Berufsleben haben und nicht über die Jahrzehnte ihrer Dienstzeit mürbe gemacht werden. Hier haben wir alle eine Fürsorgepflicht für die Lehrenden! Als Handlungswissenschaftler werde ich praktische Vorschläge einbringen, wie wir diesen schwierigen Schüler:innen, die sich ja häufig auch noch für ganz toll halten, begegnen können, so dass sie sich zukünftig angemessener und höflicher benehmen. Auch uns gegenüber. Denn wegschauen oder ignorieren bedeutet nur, Opfer billigend in Kauf zu nehmen. Ich selbst war in meiner Schulzeit auf einem humanistischen Gymnasium Opfer derartiger Attacken und seit dieser Erfahrung motiviert, dem verletzenden Verhalten dieser Kids ein Ende zu setzen.

Haben die Störungen des Unterrichts und des Schulalltags in den letzten Jahren zugenommen?

Weidner: Störungen haben nicht unbedingt zugenommen, leichter ist es aber auch nicht geworden. Wir sind ja mit unseren pädagogischen Programmen, allen voran dem Coolness- Training, an hunderten Schulen in Deutschland engagiert und da zeigt sich die große Bereitschaft
der Schulen, genauer hinzuschauen. Kriminologisch gesprochen wird mehr abweichendes Verhalten aus dem Dunkelfeld ins Hellfeld „gezerrt“. Und das ist gut so. Eine Schule, die das heute aktiv macht, gilt nicht mehr als Problemschule, sondern als eine die genau hinschaut. Auch das ist eine richtig gute Entwicklung.

Wie kann man auf massive „Unterrichtsstörer“ in der Schule reagieren?

Weidner: Man muss sie identifizieren und ins „Kreuzfeuer der Kritik“ nehmen. Man muss ihr negatives Verhalten unter vier Augen und dann im Klassenverband kritisch ansprechen. Man muss mit ihnen reden, gerne auch konfrontativ, bis sie sich entschuldigen und den angerichteten Schaden wiedergutmachen. Gerne auch vor dem Klassenverband, denn dort fanden ja auch ihre Demütigungen ihren Mitschüler:innen gegenüber statt. Und man darf auf keinen Fall als Lehrer:in entschuldigend sagen „ach, das ist ja jugendtypisch“, denn für die betroffenen Opfer ist deren Verhalten ein Albtraum.

In einem Satz gesagt, was bedeutet konfrontative Pädagogik?

Weidner: Konfrontative Pädagogik (www.konfrontativepaedagogik.de) bedeutet eine gerade Linie mit Herz. Denn wir mögen die abweichenden Kids. Wir lehnen nur ihr aggressives Verhalten ab, aber unter Wertschätzung ihrer Gesamtpersönlichkeit, denn die hat in der Regel viele positive Ansätze zu bieten.
Die Konfrontative Pädagogik, deren Erfinder ihr Referent ist, folgt dem Satz: auf abweichende Kleinigkeiten pädagogisch sofort und ein bisschen übertrieben reagieren, damit Großes erst gar nicht geschieht!

Wo genau kann konfrontative Pädagogik eingesetzt werden?

Weidner: Bei allen Schüler:innen, die „nach Ärger riechen“, die abweichend bis aggressiv agieren, die übergriffig sind, verbal ausfallend, sachbeschädigend oder körperverletzend oder Mitschüler:innen digital fertig machen und das für „Spaß“ halten.

Vielen Dank für das aussagekräftige Interview, Herr Prof. Dr. Weidner!

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